Umstrittene Paten

Ehre, wem keine gebührt – fasst die aus unserer GRÜNEN Sicht seit vielen Jahren geführte Diskussion um die Oldenburger Straßennamen ganz gut zusammen. In 2012 hat der Rat der Stadt bei der Universität Oldenburg eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, um überprüfen zu lassen, inwieweit Namensgeber für Straßennamen mit dem nationalsozialistischen Regime verstrickt waren.

Die gesamte Entwicklung ist auf der Homepage der Stadt nachzulesen: http://www.oldenburg.de/startseite/stadtportrait/strassennamen-debatte/diskussionsveranstaltungen.html.

(v.l.n.r) Im PFL: Andrea Hufeland, Sinje Eichner, Sebastian Beer.

(v.l.n.r) Im PFL: Andrea Hufeland, Sinje Eichner, Sebastian Beer.

Die in Auftrag gegebene Studie hat 74 Namensgeber_innen, die zur Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben, näher untersucht. Dann hat eine Kommission Anfang 2014 von diesen zehn Namen bestimmt, die öffentlich diskutiert werden sollten. Dies ist bei drei Veranstaltungen im März diesen Jahres geschehen. Für uns GRÜNE stand von Anfang an fest, dass wir erst nachdem öffentlich diskutiert wurde, über konkrete Maßnahmen – Umbenennung, Ergänzung, keine Veränderung – beraten und entscheiden. Leider war diese Einstellung nicht bei allen Bürger_innen zu erkennen, wie eine Anwohnerin feststellte. Denn Unterschriftenlisten gegen Umbenennungen, die zur Veranstaltung mitgebracht werden, ohne diese abzuwarten, zeigen das Gegenteil.

Entsprechend verliefen auch die Diskussionen. Einige Teilnehmer_innen brachten inhaltliche Argumente vor. Andere waren vor allem auf den Verlust ihrer Identität durch die Umbenennung „ihrer“ Straße bedacht. Auch empfanden viele Anwohner_innen, nur sie selber dürften über die Umbenennung „ihrer“ Straße entscheiden , alles andere sei nicht demokratisch. Doch als GRÜNE Ratsfraktion geht es uns nicht darum, jemandem die Identität zu rauben oder über Köpfe hinweg zu entscheiden. Auch deshalb haben wir die Diskussionsrunden immer wieder eingefordert. Doch als Ratsvertreter_innen repräsentieren wir die gesamte Stadt. In dieser dienen Straßennamen nicht nur der Orientierung, sondern stehen in engem Zusammenhang zur Geschichtskultur. So ist die Benennung nach einer Person immer eine ehrende Anerkennung dieser. Wer auch heute noch ein Vorbild ist, sollte eine solche Ehrung erhalten. Wer kein Vorbild in einer demokratischen Gesellschaft ist, der nicht, sagte ein Anwohner bei den Veranstaltungen.

Als GRÜNE Ratsfraktion werden wir nun beraten, auf wen dies zutrifft und wo eine Veränderung vorgenommen werden sollte. Obwohl niemand von uns die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur miterlebt hat, verwehren wir uns doch der häufig angestoßenen These, nur wer Geschichte miterlebt habe, könne darüber sprechen. Wäre dies der Fall, so würde „Geschichte“ nur eine Generation überdauern und derzeit etwa in den 1920ern beginnen. Alles davor wäre verloren. Doch Geschichte erschöpft sich glücklicherweise nicht nur im gesprochenen, weitergetragenen Wort, sondern beruht auf Quellen, die uns auch heute noch Deutungen der Vergangenheit ermöglichen. Gerade der persönliche Abstand lässt oftmals eine ausgewogene, objektive Entscheidung zu.

Selbstverständlich ist, dass wir GRÜNEN Geschichte nicht vergessen machen wollen, ganz im Gegenteil, wir müssen auch aus der Geschichte Lehren für unsere Zukunft ableiten. All dies wird weiterhin möglich sein, auch, wenn es zu Umbenennungen kommen sollte.

Ein letztes Wort zur Umbenennung von Straßen, die erst nach 1945 benannt wurden. Wie in jeder wissenschaftlichen Disziplin, entwickelt sich Wissen weiter. Neue Erkenntnisse ermöglichen immer wieder Neubewertungen. Der Kenntnisstand zu einer Person kann bei der Straßenbenennung in den 70er Jahren ein völlig anderer sein, als heute. So sieht man Hindenburg heute nicht mehr als altersseniles Opfer, der von Hitler instrumentalisiert wurde, sondern als einen Mann, der Parlamentarismus und Parteienwesen entschieden ablehnte und seine Rolle aktiv ausfüllte.

Wir befinden uns im Jahre 2015 in Oldenburg. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden Straßen und Plätze, die nach NS-Größen benannt waren, umbenannt. Nach 1990 geschah in der ehemaligen DDR ähnliches. Dieser Prozess verlief weitestgehend einvernehmlich. In vielen deutschen Städten finden derzeit Straßenumbenennungen statt. Oft geht es um jene, überregionale Personen, die auch in Oldenburg diskutiert werden.

Die Aberkennung der Benennung nach Gegnern der Demokratie soll doch gerade verdeutlichen, dass antidemokratische und faschistische Einstellung unserem demokratischen Werteverständnis widerspricht.
Abschließend ist festzuhalten, dass wir GRÜNE niemandem die Identität rauben wollen. Doch Identität erwächst zum Glück nicht aus einem Straßennamen. Erinnerungen an die schöne Zeit in einer Wohnstraße sind an weit mehr geknüpft als an deren Namen. Als Vertreter _innen der ganzen Stadt sehen wir nun bei uns die Aufgabe, persönliche Bedenken von Anwohner_innen genauso zu berücksichtigen, wie aus geschichtskultureller Perspektive die Grundlagen für eine Ehrung , die einem Straßennamenpaten zuteil wird.

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